AusZeit. Mit dem Traktor auf dem Jakobsweg

Erlebtes

Erlebtes-04 Mit einer ungewöhnlichen Lesung eröffnete der Kultur- und Pilgerverein Kleinliebenau e.V. in der Rittergutskirche die Kultursaison 2012. Über ihre Erlebnisse beim Pilgern entlang des Jakobsweges berichteten in Kleinliebenau schon mehrere Frauen und Männer eindrucksvoll in Wort und Bild. Eines war ihnen allen gemeinsam: sie waren zu Fuß unterwegs.

Anlässlich der Buchmesse war in diesem Jahr ein Pilger zu Gast, der den weiten Weg über 2.300 km von seinem badischen Heimatdorf bis nach Santiago de Compostela mit einem altersschwachen Traktor bereiste. Dabei hatte der Gast und Autor Willi Larl – im zivilen Leben Kriminaloberrat – gar nicht vor zu pilgern, sondern wollte sich zu seinem 50. Geburtstag lediglich eine Auszeit gönnen, die ihn dann auf den Jakobsweg führte und letztlich doch zu jemanden machte, der sich dem Pilgern nicht entziehen kann.

Seine zum Teil spannenden, aber auch kuriosen Erlebnisse hat Willi Larl auf Drängen seiner Freunde im letzten Jahr niedergeschrieben und dieses Jahr als Buch unter dem Titel „Aus Zeit. Mit dem Traktor auf dem Jakobsweg“ erstmals auf der Leipziger Buchmesse vorgestellt. Direkt vom Messestand kam Willi Larl zusammen mit seiner Frau und seinem Lektor in die prall gefüllte Rittergutskirche, las dort über 75 Minuten zum großen Vergnügen der Hörergemeinde und stand den Pilgerfreunden anschließend geduldig Rede und Antwort.

Die 30 Exemplare seines Buches aus dem traveldiary-Verlag gingen danach weg „wie warme Semmeln“ und wurden auf Wunsch vom Autor signiert. Lektor Jens Freyler sprach von einer tollen Lesung in der „sensationellen Kirche des Rittergutes Kleinliebenau“. Und Matthias Caffier vom Kultur- und Pilgerverein bedankte sich mit einer Flasche Pilgerwein bei Willi Larl und lud ihn ein, nach seiner nächsten Erlebnistour, die der Autor Richtung Moskau plant, darüber erneut in Kleinliebenau zu berichten.

Rezension: Matthias Caffier
Mehr über den Autor im Internet: www.larl.de

Viele Pilger auf einen Streich

Erlebtes

Erlebtes-02  Es ist Mai und die Pilgersaison beginnt. Zwei junge Pilger klingelten bei Herbergsmutter Annegret und machten es sich dann im Quartier gemütlich.
Montags ist in Kleinliebenau mehr als „tote Hose“, die Bürgersteige sind hochgeklappt. Beide Gaststätten sind zu und die Jungs hatten Hunger. Annegret wies ihnen den Weg zum Einkaufszentrum Günthersdorf.
Doch bald klingelte es bei ihr wieder und fünf rüstige Rentnerinnen baten um Unterkunft. Wie sagt man so schön: „Geduldige Schafe gehen viel in einen Stall“ – aber wie managt man das? Zwei Frauen bei den jungen Männern, drei Frauen ins alte Waschhäuschen bei Jürgen – ist das eine gute Variante? Die Frauen waren nicht so begeistert. Nun, Annegret überließ es ihnen, bei der Rückkehr der Männer diese zu überzeugen, das Pilgerquartier zu räumen und in das „Hexenhäuschen“ umzuziehen. Das klappte anscheinend auch. Am nächsten Morgen fuhren wir gerade am Quartier vorbei, als sich die Frauen zum Abmarsch rüsteten. Sie waren im Übrigen Mitglieder einer Kirchgemeinde aus Freiberg bei Dresden, die jedes Jahr gemeinsam einige Etappen des Pilgerweges zurücklegen. Im Gespräch erfuhren wir, dass ihre Überzeugungsarbeit gar nicht so groß sein musste. Die Männer hatten fast freiwillig das Quartier gewechselt. Warum wohl? Zuletzt gab es noch ein Gruppenfoto für unseren Vereinsfilm und los ging es mit Stock, Hut und fast im Gleichschritt zum nächsten Ziel – Merseburg.

Einige Tage später erfuhr ich noch eine Ergänzung dieser Geschichte: Die jungen Männer waren nach ihrer Ankunft im Pilgerquartier ja nach Günthersdorf gewandert, um etwas Essbares aufzutreiben. Danach ruhten sie sich am See aus und sind eingeschlafen. Erst gegen 21 Uhr tauchten sie am Quartier auf, wurden von den Frauen ausquartiert, klingelten erneut Annegret heraus und wurden ins Hexenhäuschen eingewiesen.
Im Übrigen waren an diesem Tag noch zwei ehemalige Pilger da. Sie hatten vor einiger Zeit in unserer Herberge übernachtet, da war noch alles Drumherum Baustelle. Jetzt waren sie wieder einmal in Leipzig – mit dem Auto – und wollten bitte, bitte einen Blick in die fertige Kirche werfen. Da konnte Annegret natürlich nicht nein sagen.

An diesem Tag war sie also vier Mal zum Quartier vorgepilgert, das sind zusammengerechnet über zwei Kilometer …