Es war kalt an diesem Samstag. Die Scheiben an meinem Auto waren noch gefroren. Für einen kurzen Moment, sehnte ich mich nach meinem warmen Bett zurück.
Zündschlüssel gedreht, Kupplung kommen lassen und ich machte mich auf den Weg zum Herbergselterntreffen nach Frankleben. 26 km Bundesstraße und kaum ein Auto auf der Straße.
Das sollte mein erstes Treffen werden und ich war dementsprechend neugierig, was mich erwartet.
Einmal im Jahr, erzählte man mir vorab, treffen sich Herbergseltern, die die Unterkünfte auf dem Ökumenischen Pilgerweg entlang der Via Regia betreuen, zum Erfahrungsaustausch.
Ich war jetzt einer von ihnen, wenn auch ganz neu im Geschäft.
Jedes Jahr findet das Treffen an einen anderen Standort statt, dass hat Tradition und ergibt auch Sinn. Diesmal war es das Renaissance Schloss in Frankleben bei Merseburg. Für mich kein unbekannter Ort, liebe ich doch den Geiseltalsee, der unweit vor dem Schloss liegt.
Angekommen, fand ich überall Schilder auf dem Hof um das Herbergselterntreffen gut zu finden..
Zwei Räume hatte man extra für uns, unter Einhaltung der Corona Regeln, angemietet. Notdürftig beheizt und trotzdem war es mächtig kalt.
Gleich zu Beginn stellten wir uns alle vor. Die meisten kannten und freuten sich, um sich nach zwei Jahren Abstinenz wieder zu sehen. Innerhalb der Vorstellungsrunde legten wir mitgebrachte Steine – Seelensteine auf den Fußboden. Somit ergab das nach und nach, ein Bild der Pilgerroute von Görlitz nach Vacha.
Zwei vorgegebene Fragen im Gepäck bildeten den Schwerpunkt. Was war für dich besonders schwer im Jahr und die gegensätzliche Frage, was besonders schön?
Fast jeder Teilnehmer hatte persönliche Verluste erfahren oder mitgebracht. Ob es nun die Begegnung mit dem Tod naher Freunde oder Verwanden im Zuge der Pandemie war, oder nun die Angst um den Krieg in der Ukraine.
Gut, dass es auch schöne Dinge zu erzählten gab. Das wieder „zusammenrücken“ in der Not, sich „erden“ und erkennen was wirklich zählt und wichtig ist im Leben. Der angedachte Zeitrahmen dafür wurde deutlich überzogen. Die Emotionen waren einfach zu stark und es war wichtig alles raus zulassen um letztendlich damit Frieden zu machen.
Der Gastredner Tobias Rilling bot professionelle Hilfe an. Herr Rilling ist Leiter und Gründer des Lacrima – Zentrums in München. Schwerpunkt, wie ich das verstanden hatte, ist, die Trauerarbeit mit Kinder und Jugendlichen. Als langjähriger Trauerbegleiter, ist er auf die Idee gekommen, mit den traumatisierten Kinder und Jugendlichen zu pilgern, weil er weiß, dass durch Bewegung die Seele sich öffnen kann. Wer sich dafür näher interessiert, kann die Homepage besuchen. Dort findet man auch sein Buch, aus dem er vorlas.
Damit war es nun auch an der Zeit zum Mittagessen zu schreiten. Nur am Rande, es gab ein typisches asiatisches Gericht und an die Veganer unter uns hatte man auch gedacht. Ich sah nur zufriedene Gesichter.
Zuvor beim Mittagsgebet, gedachten wir der Menschen in der Ukraine. Mein Beitrag als Agnostiker dazu: Gebete werden die Waffen nicht zum Schweigen bringen, helfen einen aber ungemein, mit der unvorstellbaren Situation und dem Leid besser umzugehen. Eine Teilnehmerin sagte sinngemäß: „Gott, jetzt musst du übernehmen, ich gehe duschen…Das Reinigungsritual bedeutete für sie, das Unlösbare, hilflose abzuwaschen oder abzugeben. Auch das kann Gott, auch dafür ist er da.
Nach dem Essen soll man laufen, sagt eine Weisheit und genau das taten wir. Eine kleine Runde um die Schlossmauern um dann schnell wieder an den warmen Ofen zurückzukehren.
Zum Ende konnte man, Werbeartikel um das Herbergsleben, den Pilgerführer des ökumenischen Pilgerweges und andere nützliche Dinge für die eigene Herberge erwerben.
Damit war nun wirklich fast Schluss, in der Verabschiedung, sangen wir noch drei Lieder, begleitet mit der Gitarre, bedankten uns bei den Veranstaltern und freuten uns schon auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr – hoffentlich ohne Corona und in Frieden.
Wenn ich darf – bin ich wieder dabei.
Autor und Herbergsvater Thomas Hiller