Es klingelte. Klein-Linea stand verlegen am Eingangstor neben ihrem Papa Paul und bat um Unterkunft in unserer Pilgerherberge. Sicherlich war sie den größten Teil der Stecke von Leipzig nach Kleinliebenau in ihrem zweirädrigen Wagen gezogen worden. Auf die Frage nach ihrem Alter hielt sie drei Fingerchen in die Höhe, sprechen wollte sie nicht. Sie war offensichtlich sehr schüchtern Fremden gegenüber. Das erste Mal in der Pilgerherberge Kleinliebenau! Ich hätte wirklich sehr gern gewusst, wie lange unsere jüngste Pilgerin den Weg durchgehalten hat.
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Beim Rotz hört die Freundschaft auf.
In Pakistan wird eine gänzlich andere Kultur des Schnäuzens praktiziert. Die europäische Sicht erscheint weit entfernt und aus der jeweiligen Sicht der Betrachter eher unhygienisch. Davon berichtet diese Geschichte.
Wie können zwei solch grundsätzlich verschiedene Worte zusammenpassen? Die Erklärung ist simpel: So ist das Leben. Nicht immer einfach, aber stets durch neue Erfahrungen geprägt, welche immer wieder die eigene Toleranzgrenze ausloten. Unsere sehr sympathische Begleiterin aus Wien berichtet von einem ganz besonderen Eindruck aus Pakistan. Im Laufe ihrer langjährigen Tätigkeit im MALC hat sie unzählige ungewöhnliche Situationen erlebt. Aber wie weit kann Liebe gehen? Sie erzählt von einer mehrere Tage andauernden Reise nach Omara. Dort sollte sie einen Leprakranken finden, welcher bisher unauffindbar war. Auf der Reise zu diesem Ort begleitete sie eine Lepraassistentin. Der Fahrer hatte die Aufgabe, beide unversehrt an den Bestimmungsort zu bringen und beide nach gut einer Woche wieder zurückzufahren. Sie bemerkte, dass der Fahrer ständig den Rotz hochgezogen hat. Die Geräuschkulisse sei über jedes Maß hinaus eklig gewesen. Sie reichte ihm voll Zuversicht ein Papiertaschentuch, damit diese noch lange Fahrt endlich in geordnete Bahnen kommen konnte. Wie sich herausstellte war das Taschentuch für den Fahrer ein regelrechter Fremdkörper, welchen er in keinster Weise zu beherrschen schien. Er dachte, er müsste das Taschentuch aus dem Fenster werfen. Das schnäuzen misslang völlig mit dem Ergebnis, dass der rotz nun irgendwo im Gesicht herumhing. Die Situation war somit noch schlimmer als zuvor. Der Fahrer verfiel sofort wieder in seine bisher praktizierte Lebensweise, welche an dieser Stelle nicht näher betrachtet werden soll. Die mitgereiste Lepraassistentin hingegen lernte während der gemeinsamen Woche in Omara den Umgang mit einem Taschentuch. Das Schnäuzen gelang. Es sollte ein kleiner Erfolg sein. Die zuvor erlebten Situationen haben sich damit relativiert. Auf der Rückreise stritten der Fahrer und die Lepraassistentin lange und heftig. Die Lepraassistentin hatte sich einen Schnupfen eingefangen. Dieser war das strittige Thema, wie sich im Laufe des Zwistes herausstellte. Um Aufklärung bemüht, wurde der Wienerin mitgeteilt, dass sie am Schnupfen schuldig sei. Sie habe der Lepraassistentin ein schmutziges Taschentuch gegeben und somit die Erkrankung hervorgerufen. Für die beiden Pakistani war jede weitere Erklärung Schall und Rauch, endlich war eine Schuldige gefunden. Dass es in Omara sehr kalt gewesen ist, die Unterkunft völlig verdreckt war und kaum sauberes Wasser zu Verfügung stand, spielte alles keine Rolle. Das normale Leben in Pakistan kann sehr angenehm sein, aber beim Rotz hört die Liebe auf
“Ich bleib lieber hier – Auf dem Jakobsweg durch Sachsen”
AusZeit. Mit dem Traktor auf dem Jakobsweg
Mit einer ungewöhnlichen Lesung eröffnete der Kultur- und Pilgerverein Kleinliebenau e.V. in der Rittergutskirche die Kultursaison 2012. Über ihre Erlebnisse beim Pilgern entlang des Jakobsweges berichteten in Kleinliebenau schon mehrere Frauen und Männer eindrucksvoll in Wort und Bild. Eines war ihnen allen gemeinsam: sie waren zu Fuß unterwegs.
Anlässlich der Buchmesse war in diesem Jahr ein Pilger zu Gast, der den weiten Weg über 2.300 km von seinem badischen Heimatdorf bis nach Santiago de Compostela mit einem altersschwachen Traktor bereiste. Dabei hatte der Gast und Autor Willi Larl – im zivilen Leben Kriminaloberrat – gar nicht vor zu pilgern, sondern wollte sich zu seinem 50. Geburtstag lediglich eine Auszeit gönnen, die ihn dann auf den Jakobsweg führte und letztlich doch zu jemanden machte, der sich dem Pilgern nicht entziehen kann.
Seine zum Teil spannenden, aber auch kuriosen Erlebnisse hat Willi Larl auf Drängen seiner Freunde im letzten Jahr niedergeschrieben und dieses Jahr als Buch unter dem Titel „Aus Zeit. Mit dem Traktor auf dem Jakobsweg“ erstmals auf der Leipziger Buchmesse vorgestellt. Direkt vom Messestand kam Willi Larl zusammen mit seiner Frau und seinem Lektor in die prall gefüllte Rittergutskirche, las dort über 75 Minuten zum großen Vergnügen der Hörergemeinde und stand den Pilgerfreunden anschließend geduldig Rede und Antwort.
Die 30 Exemplare seines Buches aus dem traveldiary-Verlag gingen danach weg „wie warme Semmeln“ und wurden auf Wunsch vom Autor signiert. Lektor Jens Freyler sprach von einer tollen Lesung in der „sensationellen Kirche des Rittergutes Kleinliebenau“. Und Matthias Caffier vom Kultur- und Pilgerverein bedankte sich mit einer Flasche Pilgerwein bei Willi Larl und lud ihn ein, nach seiner nächsten Erlebnistour, die der Autor Richtung Moskau plant, darüber erneut in Kleinliebenau zu berichten.
Rezension: Matthias Caffier
Mehr über den Autor im Internet: www.larl.de
Viele Pilger auf einen Streich
Es ist Mai und die Pilgersaison beginnt. Zwei junge Pilger klingelten bei Herbergsmutter Annegret und machten es sich dann im Quartier gemütlich.
Montags ist in Kleinliebenau mehr als „tote Hose“, die Bürgersteige sind hochgeklappt. Beide Gaststätten sind zu und die Jungs hatten Hunger. Annegret wies ihnen den Weg zum Einkaufszentrum Günthersdorf.
Doch bald klingelte es bei ihr wieder und fünf rüstige Rentnerinnen baten um Unterkunft. Wie sagt man so schön: „Geduldige Schafe gehen viel in einen Stall“ – aber wie managt man das? Zwei Frauen bei den jungen Männern, drei Frauen ins alte Waschhäuschen bei Jürgen – ist das eine gute Variante? Die Frauen waren nicht so begeistert. Nun, Annegret überließ es ihnen, bei der Rückkehr der Männer diese zu überzeugen, das Pilgerquartier zu räumen und in das „Hexenhäuschen“ umzuziehen. Das klappte anscheinend auch. Am nächsten Morgen fuhren wir gerade am Quartier vorbei, als sich die Frauen zum Abmarsch rüsteten. Sie waren im Übrigen Mitglieder einer Kirchgemeinde aus Freiberg bei Dresden, die jedes Jahr gemeinsam einige Etappen des Pilgerweges zurücklegen. Im Gespräch erfuhren wir, dass ihre Überzeugungsarbeit gar nicht so groß sein musste. Die Männer hatten fast freiwillig das Quartier gewechselt. Warum wohl? Zuletzt gab es noch ein Gruppenfoto für unseren Vereinsfilm und los ging es mit Stock, Hut und fast im Gleichschritt zum nächsten Ziel – Merseburg.
Einige Tage später erfuhr ich noch eine Ergänzung dieser Geschichte: Die jungen Männer waren nach ihrer Ankunft im Pilgerquartier ja nach Günthersdorf gewandert, um etwas Essbares aufzutreiben. Danach ruhten sie sich am See aus und sind eingeschlafen. Erst gegen 21 Uhr tauchten sie am Quartier auf, wurden von den Frauen ausquartiert, klingelten erneut Annegret heraus und wurden ins Hexenhäuschen eingewiesen.
Im Übrigen waren an diesem Tag noch zwei ehemalige Pilger da. Sie hatten vor einiger Zeit in unserer Herberge übernachtet, da war noch alles Drumherum Baustelle. Jetzt waren sie wieder einmal in Leipzig – mit dem Auto – und wollten bitte, bitte einen Blick in die fertige Kirche werfen. Da konnte Annegret natürlich nicht nein sagen.
An diesem Tag war sie also vier Mal zum Quartier vorgepilgert, das sind zusammengerechnet über zwei Kilometer …